In aller Munde ist der R-Wert, der unter 1 liegen soll, um eine Pandemie zum Abklingen zu bringen. Gastgeber Thomas Brugger betonte zum Ende der Veranstaltung, er hoffe, dass die Reproduktionszahl der CO2-neutralen Unternehmen für diese Veranstaltung größer als 1 ist.
Doch der Reihe nach: Die Klimakatastrophe rückt näher und Begriffe wie Klimaneutralität und Dekarbonisierung werden in der öffentlichen Wahrnehmung immer wichtiger. Erste Großunternehmen bezeichnen sich selbst als klimaneutral und werden dies in absehbarer Zeit auch von den Lieferanten innerhalb der Lieferkette einfordern. Und natürlich sind das Einsparen und die regenerative Erzeugung von Energie, der pflegliche Umgang mit Ressourcen und das Investieren in Klimaschutz-Projekte wichtig für die Zukunft von Mensch und Natur.
Ein wichtiges Thema also und die hohe Teilnehmerzahl war Beleg dafür, dass viele Unternehmer sich dieser Herausforderung stellen. Die Brugger Magnetsysteme GmbH hat diesen Weg bereits vor einigen Jahren beschritten und ist heute nachweislich sogar klimapositiv. Ursprünglich direkt bei der Brugger Magnetsysteme GmbH in Hardt geplant, wurde die Veranstaltung kurzfristig in die Bürgerhalle verlegt, um Hygiene- und Abstandsregeln besser einhalten zu können.
Den Anfang machte Prof. Dr. Bruno Burger, Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Er erklärte den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und dem globalen Temperaturanstieg. Messbar ist die Veränderung durch ppm-Werte in der Atmosphäre, die seit vielen Jahren ansteigen und einen exponentiellen Verlauf zeigen. Es gilt, die Entwicklung möglichst früh abzubremsen und massiv ansteigende Werte zu verhindern. Experten geben ihr Geburtsjahr spaßeshalber in ppm-Werten an. Anhand von Energie-Charts, abrufbar unter www.energy-charts.info lassen sich tagesaktuell Informationen wie die Stromerzeugung nach Quellen abrufen. 2020 wird das erste Jahr in Deutschland sein, in dem der überwiegende Anteil regenerativ, also mit Wind-, Wasserkraft, Biomasse oder Photovoltaik erzeugt wird. Prof. Burger plädiert dafür, Forschungsgelder in die Weiterentwicklung von Batterien zu stecken, denn die Speicherung von Energie ist eines der wichtigsten Themen der nächsten zehn Jahre.
Unternehmen, die CO2-neutral sein wollen, sollten zunächst die Effizienz steigern, dann die Bezugsquelle von Energie und zuletzt kompensieren. Wie genau das geht, darüber berichtete Prof. Dr. Grießhammer, langjähriger Leiter des Freiburger Öko-Instituts und Honorarprofessur an der Uni Freiburg. Betrachtet werden sollten zunächst das eigene Unternehmen und die Energie, dann die Lieferkette und Produkte. Bei der Berechnung des Footprints unterstützen Dienstleister. Bleiben nach Effizienzsteigerung und der Umstellung auf regenerative Energien noch Emissionen übrig, können diese durch den Erwerb geeigneter Zertifikate kompensiert werden. Die Zertifikate müssen jährlich erworben werden. Günstigste Zertifikate beginnen bei Preisen unter 1€ pro t CO2 und steigen bis zum aktuellen Zertifikate-Preis bei Emissionshandel von 25€ / t CO2, bei insgesamt steigender Tendenz. Preisunterschiede ergeben sich aus den unterschiedlichen Projektansätzen. Die in Deutschland am weitesten verbreitete Zertifikate werden von den Organisationen Gold Standard, Verified Carbon Standard und Clean Development Mechanism angeboten. Auch Klimaschutz-Projekte in Deutschland gibt es. MoorFutures beispielsweise bewässert trockengelegte Moore erneut, um ein Freisetzen des Kohlenstoffs als CO2 in ausgetrockneten Mooren zu verhindern. Sinnvoll ist es, die Projekte der Zertifizierung passend zum Unternehmen auszuwählen.
Die Audi AG hat sich die Dekarbonisierung der Lieferkette auf die Fahne geschrieben und für die Beschaffung ein Programm aufgesetzt. Alois Winkler, Strategie Beschaffung bei Audi in Ingolstadt, stellte die auf den drei Säulen Mensch, Umwelt und Innovation fußende Strategie vor. Man hat errechnet, dass der VW-Konzern global für 1% der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Das Ziel ist, unternehmensweit bis 2050 bilanziell CO2-Neutralität zu erreichen. Bis 2025 sollen die Emissionen bereits um 30% reduziert werden. Nur ein geringer Teil der Emissionen fällt direkt bei Audi an. Um große Schritte bei der Reduktion zu erzielen, muss man sich um Hot-Spot-Materialien wie Aluminium, Stahl, die Batterie und Kunststoffe kümmern. Über 50 CO2-Workshops haben mit Lieferanten bereits stattgefunden und 1,2 t CO2 konnten so bereits pro Fahrzeug eingespart werden. Die Kernelemente sind dabei das Schließen von Stoff-Kreisläufen, der Einsatz regenerativer Energien und ein höherer Anteil von Recycling-Materialien. Am Beispiel Aluminium Closed Loop sieht man, wie groß der Effekt der Verwendung von Sekundär-Material ist. Transport-Emissionen spielen nur eine untergeordnete Rolle, so dass die Aluminium-Produktion in Ländern, in denen grüne Energien verfügbar sind, bilanziell einen Vorteil bietet.
Wie CO2-Neutralität im Mittelstand funktioniert, zeigte Thomas Brugger, gemeinsam mit seinem Bruder Georg Brugger-Efinger Geschäftsführer der Brugger Magnetsysteme GmbH. Brugger stellt mit aktuell 110 Mitarbeitern Greif-, Organisations- und Dekorationsmagnete in unterschiedlichen Ausführungen her, die in die Industrie, aber auch in Einzelhandel und Bürotechnik geliefert werden. Dazu werden Permanentmagnete in häufig selbst gefertigte Kunststoff- und Metallteile eingebettet. Ausgehend vom Brugger-Leitbild hat man sich schon sehr früh um Nachhaltigkeit gekümmert, um ein „enkeltaugliches Unternehmen“ zu schaffen. Als Bild dient ein dreibeiniger Hocker, der die Corporate Social Responsibility (CSR) des Unternehmens symbolisiert. Mit den drei Beinen sozial, ökologisch und ökonomisch steht der Hocker fest und wackelt nicht. Ein gutes ökonomisches Standbein gehört eben auch dazu. Thomas Brugger hat als Kenngröße die jährliche CO2-Emission pro Umsatzmillion eingeführt. Sie wird seit 2006 ermittelt. Bereits 2003 wurde der Neubau mit einer Pellets-Heizung versehen. 2008 integrierte man auch im Altbau eine Pellets-Heizung, was den ersten großen Sprung in der Emissionskurve einbrachte. Die nächste große Einsparung brachte die Umstellung auf Ökostrom im Jahr 2009. Danach führten Projekte mit kleineren Effekten, wie die Umstellung der Ölheizung durch Fernwärme, die Einführung von Elektroautos und schließlich die Anschaffung von E-Bikes für die Mitarbeiter zu weiteren Reduzierungen, so dass am Ende 110 t CO2-Emissionen übrig blieben, die kompensiert werden. Die Berechnung des CO2-Fußabdrucks wurde in drei Schwerpunkten durchgeführt. Zunächst wurden die Wärmeerzeugung, Kältemittel und der eigene Fuhrpark betrachtet, dann im zweiten Schritt der Bezug von Strom und Fernwärme. Im dritten Schritt ging es dann um Wasser, Papier, Abfall, Dienstreisen, die Arbeitswege der Mitarbeiter und um Kunden- und Zuliefer-Logistik. Ganz zuletzt kann dann noch die Erzeugung der Vorprodukte betrachtet werden. Nachdem die eigenen Hausaufgaben sehr gut erledigt wurden, geht es jetzt bei Brugger, ähnlich wie von Alois Winkler im Audi-Vortrag beschrieben, um die Lieferkette. Beaufschlagt man die CO2-Emissionen mit Kosten, dann sieht man, dass sich die Ausgaben der vergangenen Jahre gerechnet haben. Ganz abgesehen vom positiven Effekt auf das Klima.
Um auch die Info-Veranstaltung klimaneutral zu halten, hat Thomas Brugger die Emissionen durch die Anfahrten der Teilnehmer berechnet und zum Ausgleich ein Zertifikat gekauft. So konnten die Teilnehmer mit einem doppelt guten Gefühl nach Hause fahren – gut informiert und klimaneutral!
Dr. Gerrit Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!