Vereinbart in einem Kaufvertrag der deutsche Verkäufer mit dem deutschen Käufer eine Lieferung gemäß der Incoterm®2010-Klausel FCA (free carrier) mit Bestimmungsort Sitz des Verkäufers, so ist der Verkäufer – ohne weitere vertragliche Regelungen – zivilrechtlich nicht für die Ladungssicherung des zu liefernden Produkts verantwortlich. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit Endurteil vom 22.02.2017 (Aktenzeichen: 12 U 812/15) entschieden.
Das OLG legt die Vertragsklausel FCA der Incoterms® dahingehend aus, dass der Verkäufer die Ware an einen vom Käufer bestimmten Frachtführer zu liefern habe. Zwar trage der Verkäufer das Risiko der Beschädigung oder des Untergangs bis zum Abschluss der Verladung der Ware auf dem vom Käufer bereitgestellten Beförderungsmittel, in diesem Fall dem Lkw. Allerdings bedeute „liefern“ nicht „beförderungssicher verladen“, d.h. dass der Verladevorgang erst dann abgeschlossen sei, wenn eine Ladungssicherung stattgefunden habe. Der Verladevorgang ist mit dem Abstellen der Ware auf dem Lkw beendet, in diesem Moment geht die Gefahr auf den Käufer über. In diesem Kontext verweist das OLG auf die von der Internationalen Handelskammer ICC zu deren Incoterms® 2010 herausgegebenen Anwendungshinweise. Nach Abschnitt A3a dieser Anwendungshinweise sei der Verkäufer nicht verpflichtet, einen Beförderungsvertrag zum Transport der verkauften Ware abzuschließen. Vielmehr habe gemäß Abschnitt B3a der Hinweise der Käufer auf eigene Kosten den Vertrag über die Beförderung der Ware abzuschließen. Auch das spreche gegen eine zivilrechtliche Pflicht des Verkäufers zur Ladungssicherung.
Die Nürnberger Richter weisen darauf hin, dass die Incoterms®2010, sofern sie von den Vertragsparteien unverändert übernommen worden sind, nur nach den oben genannten ICC-Anwendungshinweisen auszulegen sind und nicht nach sonstigen Rechtsregeln zum Frachtrecht. Durch eine klare vertragliche Einbeziehung der Incoterms ® 2010 in das Vertragsverhältnis, wodurch die beiderseitigen Rechte und Pflichten hinsichtlich Ladungssicherung und Gefahrtragung eindeutig geregelt werden, werden zudem auch etwaige sonstige kaufvertragliche Nebenpflichten, z. B. eine von der Rechtsprechung angenommene Verpflichtung zur „sachgemäßen“ Verladung mittels Ladungssicherung abbedungen.
Fazit: Das Urteil des OLG Nürnberg erleichtert die Haftung des Verkäufers. Allerdings setzt es zwingend voraus, dass – wie oben erwähnt – die Parteien die Incoterm®-Klausel FCA ohne jegliche vertragliche Abänderung oder Ergänzung übernehmen und sich bei der Vertragsdurchführung auch strikt daran halten. Wenn der Verkäufer z. B. entgegen der Incoterm®-Klausel FCA dennoch den Beförderungsvertrag abschließt und die Verladung auf dem Transportmittel selbst durchführt, dann trifft ihn – zumindest im internationalen Geschäft nach dem o.g. Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr CMR doch eine Pflicht zur Ladungssicherung.
Das Nürnberger Urteil regelt zudem nur die zivilrechtlichen Ansprüche des Käufers und des Verkäufers untereinander. Schadensersatzansprüche Dritter, die aufgrund mangelhafter Ladungssicherung einen Schaden (z. B. eine Verletzung) erleiden, werden hiervon nicht berührt und können sowohl gegenüber dem Käufer wie auch dem Verkäufer bestehen. Gleiches gilt für die Verantwortung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften, welche die Pflicht zur Ladungssicherung regeln und die daraus resultierende strafrechtliche Haftung.