Liebe Chefs der Schwarzwald AG,
im Mai blüht und grünt es – es ist ein produktiver Monat. Am 9. Mai 1946 trafen sich im zerbombten Freiburg zum ersten Mal Unternehmer in der „Fachvereinigung Gießereien, Maschinen und sonstige Metallverarbeitung“, um über die Lage in der Industrie zu beraten. Genau ein Jahr und einen Tag nach Kriegsende. Der wvib ist ein Frühlingsgewächs.
Im Frühling 2016 gedeiht nicht nur Gutes. Die aktuelle Tarifrunde wird in unseren Chef-Erfas mit Sorge beobachtet. Unser altes Problem mit den Lohnstückkosten ist wieder da. Nur in fünf anderen Industrieländern liegen sie höher und die internationale Konkurrenz produziert um 11 Prozent günstiger. Wenn die Lohnrunde der IG Metall nach 3,4 Prozent im Vorjahr 2016 erneut ein Ergebnis weit oberhalb der Inflationsrate erbringen sollte, wird es noch schlimmer. Nur Milchmädchen behaupten, dass solche Lohnrunden konjunkturfördernd wären. Neben den Löhnen wachsen auch die Lohnzusatzkosten. Sigmar Gabriel und Horst Seehofer reden der Erhöhung des Rentenniveaus das Wort. Mütterrente und Rente mit 63 haben Deutschland 2015 etwa 9 Milliarden gekostet.
Wir verteilen derzeit die Früchte, die uns der niedrige Ölpreis, der schwache Euro und die niedrigen Zinsen bescheren. Ändern sich dort die Vorzeichen, ist die deutsche Wirtschaft unmittelbar betroffen. Schon jetzt beobachten wir, dass Unternehmer Kapazitätserweiterungen vor allem im europäischen Ausland vornehmen. Das liegt an der positiven Marktentwicklung im Ausland, aber auch an der Lohnpolitik und am Fachkräftemangel. Und den haben wir einer Bildungspolitik zu verdanken, die jahrzehntelang auf kurzatmige Profilierung durch föderale Bildungsexperimente setzte.
Von der neuen grün-schwarzen Landesregierung erwarten wir einen klaren Impuls in Richtung produzierender Mittelstand. Es geht um Bildungspolitik, aber auch um eine positive, kommunizierte Haltung zur Industrie. Es wird in mittlerer Zukunft wieder mehr um Kosten, Haushaltsdisziplin und Wettbewerbsfähigkeit gehen müssen, weniger um neue Wohltaten. Jeder Ministerpräsident muss sich diesen baden-württembergischen Fragen stellen.
Ihr
Dr. Christoph Münzer