Über 30 Geschäftsführer und Führungskräfte von Medizintechnikunternehmen trafen sich bei der ANDREAS HETTICH GMBH & CO.KG in Tuttlingen. Das Thema des Treffens war, wie es mit der OEM/PLM-Lieferkette weitergehen wird, nachdem die Medizinprodukteverordnung 2020 voll umgesetzt sein muss.
Zunächst stellte Klaus-Günter Eberle, der geschäftsführende Gesellschafter der ANDREAS HETTICH GMBH & CO.KG, sein Unternehmen vor. Das Unternehmen wurde 1904 gegründet und stellt seither Zentrifugen her. Hauptanwendungsgebiet sind Blutbanken, die Mikrobiologie sowie allgemein Life Science. Noch relativ neu als Produkte von Hettich sind Inkubatoren, die den gleichen Markt wie die Zentrifugen bedienen.
Franz Menean, Geschäftsführer der MEDAGENT GmbH & Co. KG, Mühlheim, stellte das Thema OEM/PLM-Lieferkette aus der Sicht der Zulieferer dar. Die vereinfachte Zulassung von Medizinprodukten war seit jeher ein deutscher Sonderweg, der weder von anderen europäischen benannten Stellen, noch von den Regierungspräsidien als Überwachungsbehörden anerkannt war.
Die neue Medizinprodukteverordnung 2017/745/EU spezifiziert nun in Anhang II genau welche Inhalte die technische Dokumentation enthalten muss. Hier könnte insbesondere der Abschnitt 3 Informationen zu Auslegung und Herstellung in der Lieferkette eine Herausforderung sein.
Davon abhängig und nicht weniger anspruchsvoll sind die weiteren Abschnitte Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen, Nutzen-Risikoanalyse und Risikomanagement sowie Verifizierung und Validierung des Produkts. Franz Menean schloss mit der Frage, welche Daten die benannten Stellen in welcher Form fordern und auch akzeptieren werden.
Reinhold Bücher, Leiter Qualitätsmanagement und Regulatory Affairs bei der Gebrüder Martin GmbH & Co. KG in Tuttlingen sprach aus Sicht eines großen Inverkehrbringers. Er ging von den Allgemeinen Pflichten der Hersteller nach Artikel 10 aus, zu denen auch die Benennung einer für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person gehört.
Nach Ansicht von Reinhold Bücher hat sich die Medizinprodukteverordnung anderen internationalen Anforderungen angenähert. Sie ersetzt neben der jetzt noch gültigen Medizinprodukterichtlinie und dem deutschen Medizinproduktegesetz viele Dokumente von ZLG, MEDDEV und GHTF, die Details in der Umsetzung der Medizinprodukterichtlinie regeln.
Die Medizinprodukteverordnung erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und ihren Lieferanten als bisher, um eine gemeinsame Medizinprodukteakte zu erstellen und aktuell zu halten.
Michael Reincke, 3A Services, Immendingen, ist leitender Auditor für mehrere benannte Stellen. Nach seiner Ansicht gab es bisher schon Probleme, wenn Hersteller (PLM) „vorzertifizierte“ Produkte von ihren Zulieferern (OEM) in Verkehr brachten. Die klare Aussage war, dass es mit der Medizinprodukteverordnung keine „vorzertifizierten“ Produkte mehr geben wird. Es wird nur noch die Vollakte geben und die benannten Stellen werden von den Behörden daraufhin überprüft werden, ob sie die Akten richtig prüfen und entsprechend richtig auditieren.
Mit der neuen Medizinprodukteverordnung verlieren erst einmal alle benannten Stellen ihre Akkreditierung und müssen sich neu akkreditieren lassen. Nicht alle heute benannten Stellen werden für die neue Verordnung akkreditiert werden. Insgesamt wird der Aufwand für alle Beteiligten steigen und es steht zu befürchten, dass benannte Stellen und Industrie sich auch einen Wettbewerb um die Fachexperten liefern werden. In jedem Fall rechnen die Experten mit personellen und damit auch terminlichen Engpässen sowohl in den Unternehmen wie auch bei den benannten Stellen.
Nach den Vorträgen stellten sich die Referenten gemeinsam den Fragen der Teilnehmer, die das hohe Niveau der Diskussion zeigten.
Die Teilnehmer nahmen die Gelegenheit war, bei der anschließenden Betriebsbesichtigung die interessante Produktion des Unternehmens Hettich zu sehen. Wie immer im wvib Medi_NETZ nutzten sie abschließend rege die Möglichkeit sich persönlich auszutauschen und die Aussagen der Referenten zu diskutieren.