Viele Medizinproduktehersteller fragen sich, wie sich die Märkte weiterentwickeln. Noch gibt es sogar bei Medizintechnikunternehmen Kurzarbeit, auf der anderen Seite auch Corona-Gewinner. Wann werden die Umsätze wieder das Niveau vor Corona erreichen? Welche neuen Produkte werde in der Medizintechnik erfolgreich sein?
Joerg Kruetten, Executive Vice President - Global Head of Healthcare and Life Sciences, Simon-Kucher & Partners Strategy & Marketing Consultants, berichtete im wvib-Medi_NETZ aus seinen aktuellen Gesprächen mit Medizinprodukteherstellern.
Corona hat viele Märkte getroffen und nach temporärer Erholung ist ein neuerlicher Rückschlag nicht auszuschließen. In Summe ist der Medizintechnikmarkt bisher deutlich weniger getroffen, wenngleich ein differenzierter Blick deutlich unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Bereichen der Medizintechnik zeigt. Neben den kurzfristigen Auswirkungen wird Corona nachhaltige Veränderungen im Gesundheitswesen beschleunigen und zu einer schnelleren Evolution von Medizintechnik-Geschäftsmodellen führen.
In seinem Erfahrungsbericht ging Joerg Kruetten vor allem auf die Fragen ein:
- Wer sind die kurzfristigen Gewinner und Verlierer?
- Welche kurzfristigen Prioritäten ergeben sich für unterschiedliche Geschäftsmodelle und -bereiche?
- Was sind die langfristig zu erwartenden Veränderungen auf der Marktseite?
- Wo sind strategische Anpassungen bestehender Geschäftsmodelle angezeigt?
Die kurzfristigen Gewinner sind logischerweise alle Hersteller und Zulieferer, die konkret Produkte rundum die Pandemie anbieten konnten. Noch besser, wenn sie dabei ihre Lieferketten aufrechterhalten konnten. Die Verlierer sind die Anbieter für Produkte von sogenannte eligiblen, also verschiebbaren Operationen. Dazwischen sind die Produzenten für die nicht aufschiebbare Akutversorgung.
Ein Teil der Unternehmen ist verständlicherweise mit der Aufrechterhaltung ihrer Liquidität beschäftigt. Dazu kommt, dass alle in den letzten Zügen zur Vorbereitung der EU-MDR liegen. Damit trifft die Medizintechnikbranche, wie es ein Teilnehmer sagte, eine doppelte Krise.
Die Corona-Pandemie bietet die Chance, dass die ausreichende Ausstattung der Kliniken wieder mehr ins Bewusstsein rückte und damit der Markt wachsen kann. Ob damit auch der Preisdruck auf die Produkte abnehmen wird, auch darin waren sich die Teilnehmer nicht einig.
Joerg Kruetten erwartet, dass die die Einsparungen durch Innovationen mit neuen Produkten in den Kliniken in Zukunft viel besser ermittelt und dann auch kommuniziert werden müssen. Dieser Trend kommt verstärkt aus anderen Branchen in die Gesundheitswirtschaft. Die Anbieter müssen noch mehr in Lösungen statt nur in Produkten denken. Operational Excellence in Krankenhaus und Pflege ist das klare Ziel. Wie können komplette Prozesse in den Kliniken effizienter werden? Auch innovative Geschäftsmodelle wie pay per use sind denkbar.
Der Vertrieb in der Medizintechnik wird – auch ein Trend aus anderen Branchen – digitaler werden. Die Customer Journey wird sich auch auf die jüngere Generation von Ärzten, die digital Natives sind, einstellen.
Auch für die Medizintechnik gilt: was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Insbesondere ein große Startup-Szene tummelt sich entlang des kompletten Prozesses vom Auftreten von Symptomen bis zur finalen Heilung.
Inzwischen spricht die Branche von einem eigenen IoMT - Internet auf Medical Things. War bisher vor allem die Kommunikation der Geräte im Labor und auf den Intensivstationen im Fokus, geht es jetzt um die Digitalisierung aller Prozesse in Praxen und Kliniken, wozu beispielsweise auch TPM, vorbeugende Wartung, der Geräte gehört. Über allem schwebt zusätzlich das Thema Cybersecurity, auf der einen Seite als Sicherheit von Patientendaten, auf der anderen Seite als Schutz vor Angriffen und Manipulation von außen.
Die Chefs der Medizintechnikunternehmen im wvib werden auch weiterhin im Medi_NETZ miteinander in Kontakt bleiben, hoffentlich baldmöglichst wieder einmal präsent in einem Unternehmen.